Markus Rottmann

Die Royals kommen


Szenografie der Sonderausstellung 

Zusammenarbeit mit dem Illustrator und Ausstellungsgestalter
MICHAEL MEISTER

Kuratoren
PIA SCHUBIGER, MICHAEL VAN ORSOUW

Auftraggeber
FORUM SCHWEIZER GESCHICHTE SCHWYZ
 SCHWEIZERISCHES NATIONALMUSEUM


ZUR AUSSTELLUNG

Die Schweiz hatte nie eigene Könige, kannte keinen Adel. Umso begeisterter jubelte die Bevölkerung, wenn gekrönte Häupter sich die Ehre gaben. Sie waren auf Staatsbesuch oder auf der Flucht, weilten im Exil oder in den Ferien oder schauten kurz vorbei, um Uhren oder Waffen zu kaufen. 

Basierend auf Michael van Orsouws Buch «Blaues Blut. Royale Geschichten aus der Schweiz» erzählt die Ausstellung von glamourösen, heimlichen und tragischen Schicksalen der Royals in der Schweiz.

Kaiser Wilhelm II. inspizierte im «Kaisermanöver», ob ihm die Schweizer Armee im Weltkrieg taugen würde. Queen Victoria entfloh ihrer Stellung als mächtigste Frau der Welt, wollte inkognito ausspannen, etwas aquarellieren und löste einen Touristenboom aus. Kaiserin Sisi flanierte am Quai Mont Blanc in den Hinterhalt eines Anarchisten und ihren Tod. Napoleon III. verbrachte im Schweizer Exil ausschweifende Jugendjahre, thurgauerte wie ein Einheimischer, hinterliess zahlreiche Kinder mit seinen Gesichtszügen und brachte die Schweiz an den Rand eines Krieges mit Frankreich. Das royale Glamourpaar Astrid und Leopold von Belgien steuerte ihre Luxuslimousine auf der Seestrasse bei Küssnacht gegen einen Baum. Ein Zahnarztlehrling wurde zum frühen Paparazzo, dessen Fotos mit dem ersten Nachtflug der Swissair nach London und auf die Titelseiten der Welt gelangten. Der tragische Unfalltod Astrids wurde zum internationalen Schaustück der aufkommenden Boulevardmedien. 

Die Ausstellung führt durch bekannte und unbekannte Geschichten, präsentiert aussergewöhnliche Erinnerungsstücke royaler Reisen und erzählt von den vielen Spuren, die fremde Königinnen und Könige im Bild der Schweiz hinterlassen haben ­– und von einer Faszination, die bis heute die Medien zu dominieren vermag.

ZUR SZENOGRAFIE

Die Ausstellung empfängt mit einem roten Teppich. Von links und rechts erklingt ein freudiger Jubel in allen Landessprachen, der die Besucherinnen und Besucher in die Rolle der Königlichen versetzt. Schreitet man den Teppich bis zu seinem Ende, sieht man sich in einem blauen Spiegel, der fragend die Themen der Ausstellung lanciert: Auf der Flucht? Ferien nötig? Sabbatical gefällig? Grosser Staatsbesuch? 

Der Auftritt Kaiser Wilhelms II. in der Schweiz war riesenhaft. Sein Staatsbesuch hatte klare Absicht. Es ging nicht um Beziehungspflege, sondern um Imponiergehabe und die Abfolge staatsmännischer und soldatischer Gesten. Im ersten Ausstellungsraum blicken Besucherinnen und Besucher zu plakativ vergrösserten Machtsymbolen auf: Preussischer Schnurrbart, Spitzhelm und Soldatenstiefel. Ein Video betont den zeremoniellen Charakter, der Filmschnitt treibt das militärisch zackige ins Absurde. Ähnlich wie das dominierende Exponat in der Mitte des Raums: die Feld-Badewanne für des Kaisers Morgentoilette inmitten der gestellten Kampfhandlungen. 

Im lieblichen Kontrast zum «Kaisermanöver» steht das Ferienidyll von Queen Victoria. In der zweiten Hälfte des Ausstellungsraumes erblickt das Publikum ein nachgebautes Hotel-Foyer. Ein Porträt der Queen schwebt über einer Alpenrose. Einst das Geschenk des verstorbenen und sehr vermissten Gemahls Albert und Inspiration für ihre Schweizreise. Im Kontext wird die Alpenrose zum Sinnbild für die Bergwelt, für das Naturerlebnis und die Schweiz als aufkommendes Ferienland. In das Hotel-Foyer integriert finden sich jene Exponate, die von der öffentlichen Wahrnehmung des königlichen Gastes erzählen, Postkarten, Prospekte, Zeitungsberichte, Reise-Erinnerungen. Im hinteren Teil taucht man in die persönliche Welt der Queen ein, in ihr Hotelzimmer. Hier sind handgeschriebene Briefe, Fotografien und Victorias Aquarelle zu entdecken – ihr Reisekoffer steht für die nächste Exkursion parat. Hier öffnet sich der Blick wieder, geht aus dem Hotelfenster hinaus auf ein grosses Wandbild der Schweizer Landschaft. In eingeblendeten Schattenspielen sehen wir ihre Ausflüge und die projizierten Wünsche in diese Bergwelt. Sie werden auf dem Balkongeländer mit kleinen Texttafeln erläutert. Auch in den anderen Fenstern des Hotels zeigt sich in Panoramabildern Victorias Blick auf die Schweiz, der die touristische Sicht bald nachhaltig prägen sollte. 

Im zweiten Ausstellungsraum wird die Schweiz als Fluchtland gezeigt, anhand zweier royaler Schicksale, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der sechsjährige Louis Napoleon flieht mit seiner Mutter nach der Verbannung an den Bodensee und beginnt im Exil den Aufstieg zum Bürgerkaiser Frankreichs. Die Kaiserin Sisi entkommt dem verhassten höfischen Zeremoniell durch kleine Fluchten an den Genfersee und wird an der Seepromenade von einem Anarchisten ermordet. Die Geschichten werden auf zwei Korpussen vermittelt, die parallel laufend zu ihrem gegensätzlichen Ende führen, einem jeweiligen Wandbild. Die beiden Episoden sind als Bildergeschichten dargestellt. Eigens angefertigte Illustrationen schliessen erzählerisch die Lücken zwischen den Exponaten.

Astrid und Leopold von Belgien waren das erste royale Glamourpaar der damals entstehenden Boulevardmedien. Aus heutiger Sicht liest sich der tragische Unfalltod der jungen Königin wie ein Vorläufer des Medienhypes um Lady Di. In der Ausstellung wird das historische Ereignis komplett in Stil und Layout des Boulevards dargestellt. Stellwände stehen wie aufgeklappte Doppelseiten der Yellow Press im Raum. Reisserische Titelschriften wechseln sich mit Fotostrecken und Artikeln. In der Mitte dieses Hochglanz-Blätterwalds blickt man hinab auf die gesplitterte Fensterscheibe des Unglücksautos. Die Welt der Königspostillen trifft auf den Glanz der echten Scheibe, die inmitten der Künstlichkeit umso realistischer erscheint.

Den Schluss der Ausstellung bildet ein goldener Imaginationsraum. Hier lässt es sich auf einem Thron Platz nehmen und in der Schweizer Sehnsucht nach Royalem schwelgen, umringt von anderen selbstgemachten und sogenannten Royals, etwa den Schwingerkönigen, Milieu- und Gastro-Königen oder dem Eisenbahnkönig  Alfred Escher.

 

Der Kaiser bringt seine Badewanne zum Manöver
Jodelchor singt "God save the Queen"
Der Anarchist möchte guillotiniert werden
Horror-Unfall auf Schweizer Traumstrasse
Wer keine Royals hat, braucht einen Schwingerkönig