Die Jademiniaturen des Museums Rietberg in neuem Licht
Gebundene Ausgabe mit Schuber
76 Seiten / 29.4 x 38.7 x 1.2 cm
41 Fotografien
Offsetdruck, Siebdruck
Konzept: FELIX STREULI, MARKUS ROTTMANN
Text: MARKUS ROTTMANN, ALEXANDRA VON PRZYCHOWSKI
Gestaltung: FRANZISKA BURKHARDT
Gold Award 2020
Art Directors Club Schweiz
Kategorie Design
Das Fotobuch präsentiert die bekannten Jademiniaturen auf bisher ungesehene Weise. Eine begleitende Kurzgeschichte erzählt von der machtvollen Bedeutung dieser Artefakte in der 7000jährigen Geistes- und Kulturgeschichte Chinas. Dem Bildkonzept folgend, plant das Museum Rietberg eine Sonderausstellung im Sommer 2021.
Die Jademiniaturen des Museums Rietberg sind ein bedeutender Teil der China-Sammlung und vielfach dokumentiert. Die Fotografien im Buch zeigen sie erstmals in drastischer Vergrösserung.
Aus den kleinen Handschmeichlern und Artefakten – in den Vitrinen beinahe zu übersehen – wuchsen riesenhafte Skulpturen. Antlitze tauchten auf, Tierfiguren spannten ihre Muskeln und zeigten sich in überraschender Dynamik. In den Miniaturen erwachte ein Ausdruck, den selbst ihre Schöpfer nur ahnen konnten.
Dem Bildkonzept folgend, plant das Museum Rietberg eine Ausstellung im Sommer 2021.
Eine eigens für das Buch verfasste Kurzgeschichte erzählt von der machtvollen Bedeutung dieser Jaden in der über 7000jährigen Geistes- und Kulturgeschichte Chinas – anhand einer kurzen, aber folgenschweren Begegnung im Garten eines Mandarins.
Aus den Schatten traten Giganten ist das erste Werk einer zu entstehenden Buchreihe über aussergewöhnliche Sammlungen und Sammler.
Sammler sehen etwas, das nur sie erkennen. Anfangs weiss man nicht, was es ist. Das kommt später. Erst kommt das eine zum anderen, und schon sind es zwei. Dann drei. Ab vier und fünf zieht es an, bildet eine Reihe, strebt nach mehr, nach einer Ordnung, einem Bild, auf jeden Fall nach Vollendung. Das nennen Aussenstehende komplett verrückt. Sammler entgegnen, komplett oder gar nicht.
Jede Sammlung trägt in ihrem Innersten eine Geschichte. Sie kann abenteuerlich sein, in einer Tradition begründet liegen, von einer persönlichen Leidenschaft erzählen, die obsessiv betrieben wurde, oder von einer stillen Erfüllung, einem heimlichen Lebenswerk. Manche Sammlungen stellen eine Rettung dar. Vor sicherer Zerstörung, vor der Ignoranz der Zeit. Immer liegt in ihnen der Wunsch nach Bewahrung, sie bergen eine Hoffnung jenseits der Nostalgie, sie sind Auflehnung gegen die Hinfälligkeit. Was immer das für einen Menschen bedeuten mag. Der Sammler macht die Sammlung, der Sammler ist die Sammlung. In den chromblitzenden Linien der Chevrolets, in den Zifferblättern der Uhren und den leuchtenden Flügeln von Schmetterlingen spiegelt sich stets eine Sehnsucht. Aber auch Geduld, Charakter, Jagdinstinkt, Beharrlichkeit, Herzblut und Kennerschaft. Es gibt keine Sammlung, die nicht weit mehr offenbart als ihre Exponate. Man muss nur genauer hinsehen.
Die Jadesammlung des Museums Rietberg erzählt von einer über Jahrtausende anhaltenden Faszination. Eingeschnitten in schimmernde Jade liegen 7000 Jahre geheimnisvolles China, die Kunst- und Geistesgeschichte der ältesten noch existierenden Hochkultur der Menschheit. Die frühesten Jadeobjekte stellten einen Kontakt mit den Göttern und Ahnengeistern her. Archaische Amulette als Schlüssel zu einer transzendenten Welt. Die Grabbeigaben aus der unzerstörbaren Jade sollten den Körper vor dem Abfluss der Lebenskraft bewahren. Im Konfuzianismus der Han-Zeit entstand die Ethik der Schmuckjaden, die Status und Rang festhielt und soziale Barrieren sichtbar machte. In den späteren Kaiserreichen entwickelte sich mit kunstvoll gearbeiteten und überaus bildhaften Miniaturen eine komplexe Glückssymbolik. Es ist unmöglich, die Jademiniaturen zu betrachten, ohne chinesische Philosophie, Religion, Literatur und Staatskunst zu erkennen. Jedoch schweigt der glatt polierte Stein über seine Datierung. Selbst wertvollste Objekte sind für Kunsthistoriker und Auktionshäuser nicht abschliessend bestimmbar. Der Jahrmillionen alte Nephrit enthüllt wenig darüber, ob die aus ihm gefertigte Jadefigur tatsächlich in der Zeit der Zhou geschnitten worden ist oder erst Jahrhunderte später als Ehrerbietung an die Kunst vergangener Reiche. Noch im 17. Jahrhundert wurden zum Zeichen einer bis in die Vorzeit reichenden Kulturfolge typische Jadeobjekte aus dem Neolithikum nachgeahmt. Auch die Methoden der Bearbeitung bieten keinen Aufschluss, sie hatten sich seit der Steinzeit kaum verändert. Gesichert ist allein: Mit den Jaden wurde beschworen, Politik gemacht, Tradition vermittelt, getäuscht und geschmeichelt, gehandelt und gedroht, Glück versucht und Reiz betont, gedankt und bestochen; stolz wurden sie ausgestellt, wurde konfuzianischer Geist mit ihnen gefestigt.
2019 hat sich der Fotograf Felix Streuli mit der Kamera den Jaden genähert, und aus den Miniaturen wurden Giganten. Unter dem Licht des Fotostudios trat grosses Drama hervor und ungesehene Anmut. Einst waren die Amulette und Anhänger geschaffen worden, um traditionsreiche Kunst in der Hand spüren zu lassen. In den Vitrinen der Museen liegen sie unberührbar hinter Glas, man könnte achtlos an diesen Schmuckkieseln vorbeigehen. Sie besitzen keine eigentliche Schauseite, das Auge sollte um sie herumwandern, überrascht werden vom Einfallsreichtum und der Feinheit ihres Schliffs. Zu wahrer Grösse erstehen sie für jene, die sie wiegen und drehen, die fühlen, was die Kunsthandwerker vor Hunderten oder Tausenden Jahren erschaffen haben. In der fotografischen Vergrösserung erwacht dieser Ausdruck. Die Tierfiguren spannen die Muskeln, kleine Wesen scheinen zu atmen, blicken zurück. Die Jade leuchtet. Beinahe wird sie durchlässig für den Geist, mit dem sie vor langer Zeit von Handwerkern und Gelehrten beseelt worden ist. Vielleicht war es ungehörig, den Schatten bis in die kleinsten Ausformungen zu folgen, das Licht zu führen und sich von ihm führen zu lassen, bis versteckte Nuancen und Blicke lebendig wurden. Vielleicht hätten gewisse Abbildungen heimlich bleiben sollen. Doch was man zu kennen geglaubt hatte, erschien auf eine Weise, die man so noch nicht gesehen hatte. Oder wie das chinesische Sprichwort sagt: Manchmal verbirgt sich im kauernden Tiger ein aufsteigender Drache. In den Fotografien von Felix Streuli präsentieren sich die Miniaturen der Jadesammlung des Museums Rietberg mit neuer Kraft und in einer Schönheit, die selbst ihre Schöpfer nur ahnen konnten.
Markus Rottmann, Januar 2019
Sie sassen und schwiegen. Zwei Männer versunken in der Betrachtung berauschend schöner Jaden. Ihr Geist umfloss die polierten Geschmeide, die gewölbten Rücken kleiner Drachen, die reich verzierten Grabbeigaben der Han, glitt über Amulette aus der Zeit der streitenden Reiche und über Handschmeichler für die Konkubinen. Eine wahrlich exquisite Sammlung lag vor ihnen. Zeugnisse kultureller Vormacht auf einem eigens zu ihrer Darbietung gefertigten Möbel, tiefschwarz lackiert, doch keinesfalls dazu gemacht, den Glanz der Figuren zu überstrahlen. Die Jade aus Xinjiang, einst aus Flüssen gehoben, aus Minen gebrochen, schon seit Jahrtausenden durch die Taklamakan-Wüste ins Reich der Mitte gebracht, trug nun höchstes chinesisches Traditionshandwerk eingeschnitten. Unter den Händen der Schleifer begannen Bambusblätter im Wind zu wehen. Aus grünen Kieseln wurden Drachen geboren, die sich in die Lüfte erhoben und die Wolken umspielten. Das aus der Jade geholte Lächeln eines Mädchens schien dem Blick des Betrachters zu folgen und blieb doch reglos, blieb Stein. Die Miene des hohen Beamten Luo Feng, auf die Ma Tao immer wieder verstohlen schielte, lag ebenso unbewegt. Hinter den abgedunkelten Kristallgläsern seiner Brille standen die Augen wie Karpfen in schlammigen Teichen. Sein Schweigen war wie ein Donner über den Garten gekommen und liess ihn in all seinen Ausläufern erstarren. Kein Ziervogel rührte sich mehr. Seit einer Ewigkeit war die einzige Bewegung das Erkalten des Tees vor ihnen. Nichts verriet, wohin sich Luo Fengs Gedanken zurückgezogen hatten. Missfiel ihm, was er zu sehen bekam? Meditierte er über die Vergänglichkeit angesichts Jahrtausende überdauernder Schönheit? An der Jade zerbricht der Zahn der Zeit. Gedachte er der Kaiserreiche, in die seine eigene Familiengeschichte eingebunden lag, geschickt die dynastischen Komplikationen überdauernd? Oder war er eingeschlafen? Während Luo Feng abtauchte, wohin auch immer, glitt Ma Tao tiefer hinab in ungute Gefühle, einen Sumpf, dem seine Gedanken kaum mehr entkommen konnten. Es war alles so gut gelaufen mit seinem Gast. Er hatte die richtigen Worte gefunden, sämtliche grossen Prunkstücke waren vom Anwesen entfernt worden. Nichts sollte den Eindruck erwecken, der Kaufmann wolle sich dem Beamten ebenbürtig stellen, viel eher wollte Ma Tao ihm wie eine Katze um die Beine streichen. Kontakt herstellen, Verbundenheit signalisieren, sich an den hohen Herrn schmiegen. Obwohl es längst andere Mächte waren, die ihn reich machten, war es doch das alte China, in dem er zu leben hatte, in dem das Silber aus dem Handel mit den englischen und deutschen Schiffen zu seinem Wohlgefallen gedeihen sollte. Aber in der versteinerten Miene Luo Fengs gedieh nichts. Von grosser Kunst waren seine Worte gewesen, doch ausdruckslos. Geschliffen im Beamtendienst, glatt poliert in jahrelanger Diplomatie. Er sass nicht aus Freundlichkeit im Garten des Kaufmanns, er war ein Mann des Protokolls, hierhergetragen durch das Räderwerk der komplizierten Verpflichtungen eines Repräsentanten der Staatsverwaltung. In der weit entfernten Provinz des Südens mussten Strenge und Form aufrechterhalten werden. Gerade hier, wo die Häfen offene Einfallstore geworden waren für die Barbaren, die ihren Einfluss vergrösserten mit jedem Tag. Luo Feng nahm diese Verantwortung mit der ganzen Fülle seines Amtes wahr. Ma Taos Blick hingegen wanderte zu einem ausnehmend fein gearbeiteten Jadeanhänger, der nicht im Zentrum, aber etwas erhöht auf einem kleinen Kissen lag: zwei Ameisen, die anmutig einen Schmetterling zerrissen. Eines seiner Lieblingsstücke. Es war Ma Taos Fleiss gewesen, der ihn hatte reich werden lassen, aber vielmehr waren es die offenen und die versteckten Bündnisse mit den vielen, die wie er niemals über ihren Stand hinauswachsen würden, nicht solange der Schatten des Drachenthrons über ihnen lag. Nur eine bescheidene Freiheit genossen sie, die Gewissheit, dass ein Heer aus Palast-Eunuchen, Gesandten und Verwaltern viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, in den eigenen Ränken verstrickt lag, um sich mit jenen abzugeben, deren Steuern sie pressten. Wie lange nährte der Hunger der Bauern noch die Kaiserlichen, füllten ihre Ernten die Teller der täglichen 118 Gerichte auf der Tafel des Sohns des Himmels? Die besonders reinen Jaden, die vor ihnen lagen, waren einst der kaiserlichen Familie vorbehalten gewesen. Heute gerieten immerhin jene Steine in den Handel, die dem Hofe nicht genügten. Ma Tao tauschte einen Blick mit Fu, seinem obersten Diener. Gelassen stand dieser neben den Qin-Zithern, die im weiteren Verlauf des Empfangs anklingen sollten. Das Warten schien ihm nichts auszumachen, natürlich. In seinen Augen, von denen Ma Tao nie genau wusste, ob sie nach innen oder nach aussen gerichtet waren, las er ruhige Ergebenheit in die Gezeitenströme der endlos scheinenden Macht, in der sein Schicksal trieb. Gemeinsam hatten sie diesen so überaus bedeutungsvollen Nachmittag im Garten arrangiert. Zur geistigen Unterhaltung des Gastes waren Literaten geladen worden, ein Zirkel aus feinsinnigen Gelehrten, die in der Kalligrafie ebenso bewandert waren wie in der Dichtkunst und der Malerei, deren Fähigkeiten und Wissen sich wie ein Gesamtkunstwerk auffächerten, wenn sie sich trafen, um zu rezitieren, über Kulturschätze zu beraten und eigenes oder fremdes Schaffen zu kommentieren. Luo Feng war sichtlich angetan gewesen, immer darauf bedacht, die Diskussion in eine ihm genehme Richtung zu lenken und die Bedeutung eines wiedererstarkenden Konfuzianismus zu betonen. Nie um einen Sinnspruch verlegen, stets das passende Zitat parat. Im Verlaufe der Gespräche und der gegenseitigen Hochachtung war die Gruppe vom Haupthaus in den ersten Pavillon gewandert, den dargebotenen Kunstschätzen folgend, die eigens für diese Zusammenkunft aufgestellt worden waren, eine Anordnung gleich einem bis in den Bambushain reichenden Studierzimmer. Ja, der hohe Beamte fand Gefallen. Der Hinweis Fus, dass Luo Feng schon in der Hauptstadt solchen Zirkeln angehört habe, lange bevor er im Beamtendienst aufstieg wie der Karpfen, der über die Stromschnellen flussaufwärts springt, war goldrichtig gewesen. Doch dann, auf dem Höhepunkt einer Betrachtung über zwei äusserst gelungene Tuschelandschaften des Ming-Meisters Wen Zhengming, hatte es an Ma Tao gelegen, den Ehrengast beiseitezunehmen. Er wollte ihm noch etwas ganz Besonderes zeigen. Begleitet von ausgewählten Dienern führte er ihn weg von der Gruppe in einen abgelegenen Teil seines Gartens, wo bereits Tee aufgetragen stand, aber vor allem die kostbare Jadesammlung Ma Taos auf den hohen Herrn wartete. Die tugendhafte Reinheit der Jaden sollte nach dem vorangegangenen Kunstgenuss eine Geste sein, um jedem Verdacht der Prahlerei entgegenzuwirken, ein gelungener Abschluss, wie Ma Tao fand. Auch dies war eine Idee seines ersten Dieners gewesen, den er dafür belohnen würde. Aber dann war das Schweigen über sie hereingebrochen. Die Zeit, die wie ein Bach über alle Hindernisse und Widrigkeiten hinweggeflossen war, staute sich nun zu einem stehenden Wasser, dessen Grund dunkel und trübe lag. Wieder ein Blick zu Fu. Dann auf einmal ein kaum hörbares Geräusch. Luo Feng erhob sich. Seine Amtstracht entfaltete die meterlange, dunkelblaue Seide in einem leisen Rascheln, wie der erste kühle Hauch vom Berg, der noch keinen Winter bringt, aber die Äste der Bäume vereisen lässt. «Nun, da das goldene Licht des Herbsts schwindet, werde auch ich weiterziehen.» Die Dienerschaft atmete aus, die Pinien nahmen ihr leichtes Wiegen wieder auf. Auch Ma Tao erhob sich und folgte seinem davonschreitenden Gast über den gezackten Weg, der quer durch den Garten führte, die Unvorhersehbarkeit des Lebens symbolisierend. «Ich habe deine Sammlung sehr genossen», bekundete Luo Feng. Doch was folgte, waren Worte der Ermahnung. Gesprochen in vollendeter Höflichkeit, der höchsten Form der Herablassung. Protz verrate den Emporkömmling. Ansehen werde nicht auf dem Markt erworben. Sollte sein Platz in der höheren Gesellschaft den Flügelschlag einer Motte überdauern, werde er zur Erkenntnis gelangen, dass nicht Tradition den Mann mache, sondern der Mann die Tradition. So ging es in einem fort. Sie überquerten eine kleine Brücke und gelangten zur Veranda der Freudvollen Winterkirsche, wo es sich vortrefflich über eine raffiniert komponierte Landschaftsszenerie hätte meditieren lassen. Stattdessen: «Du hast viel errungen, aber was hast du bewirkt? Das Opium, das durch die Hände deiner weissen Teufel in unser Land kommt, ist ein Genuss des Geistes. Doch es soll uns täuschen und die kosmische Ordnung unserer Lebensweise zerstören. Du scheinst die Privilegien der höheren Ränge für dich und deinesgleichen entdeckt zu haben. Du suchst dich zu vereinen mit einer ehrwürdigen Tradition, möchtest in ihre Kontinuität steigen wie in einen Fluss, der dich fortträgt von der Bedeutungslosigkeit deiner Herkunft. Doch wisse, Harmonie verlangt nicht nach Veränderung.» Ma Tao schwieg. Und doch, es hatte eine Zeit gegeben, da hätte man Kaufleuten wie ihm die Augen ausgeglüht, wären sie der kaiserlichen Jade durch einen unglücklichen Zufall ansichtig geworden. Heute besass er sie. «Streben wir nicht auch nach Harmonie mit den Fremden?», versuchte es Ma Tao. «Die Mandschu sitzen in der Verbotenen Stadt und geben sich chinesischer als wir selbst.» Worte vergeblich wie Tränen im Schnee. Der Beamte und Richter, dessen alleiniges Wohlwollen ausreichte, um den Aufstieg oder Untergang eines Hauses zu bewirken, hatte ihm seine Aufmerksamkeit entzogen, widmete sich der Betrachtung einiger Kiefern. Schweigend wanderten sie weiter durch den Park und hinein in die Abfolge komplizierter Abschiedsgesten, die sich in ihrer korrekten Aufführung hinzogen, bis sich die Tore schlossen und Ma Tao wieder alleine stand, die letzten Worte Luo Fengs noch im Ohr. «Du hast einen Garten geschaffen, der viele Lehren für dich bereithält. Wir nutzen ihn zur ethischen und ästhetischen Bildung.» Fu näherte sich unhörbar. Bleich übermittelte er Ma Tao die schlechte Nachricht. Seine geliebten Ameisen, der Schmetterling, die kleinste, aber wertvollste der Jaden war nicht mehr an ihrem Platz. Leer lag das Kissen. Der gesamte Garten war bereits bis in die hintersten Winkel abgesucht worden, keine Spuren wiesen auf einen Eindringling hin. Verzweifelt blickte Ma Tao seinen ranghöchsten Diener an. Er war von jener Art Dieb bestohlen worden, den er nicht belangen konnte, dessen Tat bis in alle Zeiten unerwähnt bleiben würde. Sollte er seine Lieblingsjade je wiedersehen, würde es im Hause Luo Fengs sein, der sie ihm lächelnd präsentieren würde, die Demütigung geniessend. «Du weisst, was jetzt kommt», sprach er zu Fu. «Das Einzige, was mir das Unvermeidliche überhaupt erträglich macht, ist dein Verständnis. Dass ich weiss, dass du verstehst.» Ma Tao liess Fu abführen, er selbst begab sich in seine Gemächer. Er hatte schon genug Verlust erleben müssen an diesem Nachmittag. Dem Abhacken einer Hand wollte er nicht auch noch beiwohnen.