Sports, Ladies and Gentlemen
Claim und Beitrag für die Nullnummer von FAN, dem Sportmagazin, das Kunst-, Kultur- und Designheft ist
Herausgeberinnen:
STEFANIE BEREITER, NIKI ZAUGG
DEMOTIVIERT EUCH
Motivation ist für den Arsch und fürs Fitnesscenter. Für den Marathon im Curriculum. Für geschminkte Pilates-Instruktorinnen. Motivation führt zu Work-out, zu Madonna, zu Sex-Armen. Zu Männern, die es schaffen, mit perfekten Sixpacks für nichts fit zu sein. Motivation ist das Streberprinzip im Sport. Snowboarder sind olympisch geworden, Skateboarder nicht. Motivation macht Sieger, die wie Verlierer aussehen. Menschgewordene Werbespots geben Motivationsseminare und 1000 Tipps, sich selbst zu besiegen und alles, was man eigentlich liebt. Motivation ist die Trainingseinheit für Leute, denen man immer alles erklären muss. Warum es kein schlechtes Wetter gibt. Warum Rocky gewinnt, wenn er verliert. Motivation ist der Glückszwang, der Dich rennend durch den Wald treibt mit den falschen Songs aus den perfekt weissen Ohrstöpseln. Motivation ist die Dressurmethode der 10er-Jahre. Heidi Klum:«Du musst es noch viel mehr wollen.» Motivation stählt den Willen, erringt Siege. Motivation ist eiserne Disziplin mit einem Lächeln im Gesicht. Durchhalten für das grosse Ziel. Pain is weakness leaving the body. Mit der richtigen Motivation bekommt man sogar einen Weltkrieg hin. Motivation ist gut für alles, was man nie wollte. Leistungszwang reloaded. Der Schlüssel zum Erfolg. Das Danach vs. das Jetzt. Motivation macht Dich an etwas anderes denken. Sie lässt Dich vergessen, warum Du tust, was Du gerade tust. Sie lässt den Bergsteiger auf dem Weg zum Gipfel am sterbenden Kameraden vorbeistapfen. Motivation ist keine Selbstfindung. Sie ist Selbstüberwindung. Meditation als Trainingseinheit. Yoga als Sport. Wenn die Selbstfindung deprimierend verlaufen ist, bleibt nur Selbstüberwindung. Der Kampf gegen den Schweinehund, der man nicht sein will. Was für ein jämmerlicher Kampf. Was für ein kümmerlicher Nebenschauplatz. Auf ihm kämpft nur, wer sich und alles verloren hat. Motivation ist kein Anfängerfehler. Die Rettung? Zurück auf die Homebase. Als der Ball geflogen kam, und man einfach wusste, was zu tun ist. Deckung nach oben als Reflex. Der Freeride als Grund für den Freeride. Warum haben Surfer so selten Motivationsprobleme? Sie jagen Mavericks statt Hundertstelsekunden. Heavyweights im Kopf statt Leichtathletik. Motivationstraining führt zu Resultaten und an allem vorbei, worum es einmal gegangen ist. Ich kann alles, weil ich alles bin. Nicht, weil ich alles will. Wann immer man sich fühlt, als hätte man etwas Motivation nötig, hat man etwas Erinnerung nötig. Oder ein anderes Ziel. Kann sein, dass der Kompass verloren gegangen ist an einer schlecht beleuchteten Abzweigung irgendwo zwischen Paris und Dakar. Aber das falsche Rennen wird nicht richtiger durch bessere Motivation und härtere Durchhalteparolen. Gewinnen lässt sich mit einem Boxenstopp und Bruce Brown's «On Any Sunday». Darin leben Motorradbesessene einen hoffnungslosen Traum und jagen Zielen hinterher, die keine sind. Sie können nichts dafür, dass noch Jahrzehnte später hochmotivierte Sabbatical-Aussteiger diesen Traum wegen ihres GPS nicht finden. Was immer es war, dass einen den Streetball hat aus den Augen verlieren lassen, lieber wieder einen Korb riskieren, als weiterhin über die falsche Ziellinie rennen. Lieber ein blaues Auge, als das Auge des gezähmten Tigers. Du musst schneller sein, Du musst stärker sein, Du musst besser sein - sonst gerätst Du in die Motivationsmaschine. Dann stehst Du eines Tages am Kiosk und kaufst Dir Men's Health. Motivation ist das Einfallstor für alle falschen Gründe. Gibt es richtige Gründe? Just do it.