Monolog: MARKUS ROTTMANN
Stimme: FRANK GLAUBRECHT/ AL PACINO
Illustration: MAIK BISCHOF, BEATE FROMMELT
Fotografie: MARKUS ROTTMANN
Ausstellungen:
DISTANCE OF MEMORY, 2003
WEISSE WUNDERWARE SCHNEE, 2004
Publikation:
LETA PEER, BORROWED PLACES, Christoph Merian Verlag, Basel
Hymne auf die Männer und Frauen an den Schleppliften. Verspiegelte Sonnenbrillen, Zigarette im Mundwinkel, schweigsam wie die Berge. Skiliftbügelgeber sind kein aussterbender Beruf, sie sind eine aussterbende Art.
Der Monolog erschien erstmalig als Beitrag zum New Yorker Fotoprojekt der Künstlerin LETA PEER. Es folgten eine Gemeinschaftsausstellung, eine Rauminstallation, eine fotografische Porträtsammlung - und eine wachsende Fangemeinde mit Merchandising, Shirt-Kollektionen und dem Award Goldener Skiliftbügel.
«....Ich wollte immer Skiliftbügelgeber werden. Was zusammen mit Clint Eastwood das Männlichste war, was ich mir als Kind vorstellen konnte. Braungebrannte, wettergegerbte Gesichter, immer eine Zigarette im Mundwinkel hängen und schweigsam wie die Berge. Dagegen war Hemingway ein geschwätziger Tourist.
Diejenigen an der Bergstation hatten zudem diese kleinen engen Holzhütten, in denen sie es warm hatten und wahrscheinlich Porno-Heftchen lasen, während draussen ein Schneesturm am Gipfelkreuz rüttelte. War es sonnig, lümmelten sie vor der Hütte auf einem Holzstuhl, den sie in den Schnee gerammt hatten. Neben sich einen Transistorradio, Popmusik dudelte modisch vor sich hin, sie trugen verspiegelte Sonnenbrillen.
Wäre ich ein Mädchen gewesen, ich hätte mich sogleich nach dem korrekten Abbügeln diesen Bademeistern der Berge vor die Füsse geworfen. Sie waren meine Idole. Während andere Kinder davon träumten Astronaut, Rockstar oder Geheimagent zu werden, wollte ich mein Leben lang Skiliftbügelgeber sein. Wie sich bald herausstellte, war mit diesem Lebensziel nur Gelächter und Kopfschütteln zu erwarten, doch das war mir egal. Gleich nach der Schule wäre ich in den Beruf eingestiegen und hätte märtyrergleich alle Spötter ertragen und mein Leben der Coolness geweiht.
Skiliftbügelgeber sind einsame Wächter des Tempels der Lässigkeit. Nicht mal die flotten Skilehrer konnten neben ihnen bestehen. Während diese Touristen-Flittchen mit deutschen Zahnarztgattinnen oder pubertierenden Skilagergruppen in Böglein die Pisten hinunterschönten, wartete der Skiliftbügelgeber auf seine Stunde. Er hatte Zeit.
Nachdem der Tag vorbei war, die bunten Overalls von den Pisten verschwunden waren und die Hänge wieder den Bergdohlen gehörten, fand seine letzte Muratti ihr zischendes Ende im Schnee. Er war nun Urheber jeden Geräuschs. Ausser ihm Stille. Die Nacht nicht mehr weit weg. Ein letzter Blick auf den Skilift, der nun lebloser Teil der Dämmerung war. Die Bügel zuckten wie aufgehängte Skelette in elektrisch geladener Luft. Dann schnallte er die Skier an und schnitt durch den Schnee, den die Kälte wieder hart und harsch hatte werden lassen. Er verschwand im langsam vom Tal heraufziehenden Nebel.
Oder in einer Berghütte, wo Bündnerfleisch gegessen und Schnäppse getrunken wurden. Später fand dort auch Sex statt mit Skilehrerinnen mit muskulösen Schenkeln. In Betten, die weich und warm waren. Sagte ich schon, dass ich als Kind immer alleine Ski fuhr und viel Zeit zum Träumen hatte? Ich war vorbereitet auf ein ehrliches, einfaches Leben. Doch es kam alles anders. Erst wurden die Selbsbedienungslifte eingeführt, dann tauchten die Snowboarder auf. Und ich hatte gelernt wie es sich anfühlt, wenn nichts je wieder so sein würde wie es mal war....»